U20 WNB-Slam Recap vom 14.02.2025

U20 Poetry Slam
März 7, 2025

Am 14.02.2025 ging die U20 Landesmeisterschaft im Poetry Slam für die Regionen Wien, Niederösterreich und das Burgenland (kurz: U20 WNB-Slam) im Dschungel über die Bühne. Moderatorin war die Leiterin des U20 Slam Wien Teams und Veranstalterin des Wettbewerbs Adina Wilcke. Es gab sieben Auftretende, die um den Titel der_des Landesmeister_in im U20 Poetry Slam für die bereits genannte Region verbal kämpften. Die Auftritte der sieben Personen im Wettbewerb wurden in eine 3er Gruppe und eine 4er Gruppe in ausgeloster Reihenfolge aufgeteilt, anhand dessen jeweils die_der Gruppensieger_in und insgesamt ein Lucky Loser auserkoren wurde. Nach der ersten Runde standen demnach drei Personen für das „Finale Stechen“ bereit, woraus in weiterer Folge die siegende Person des Abends und somit auch die_der Landesmeister_in ermittelt wurde. 

Die drei Poet:innen im Finalen Stechen waren Maxi Auer (Gruppensieger der 4er Gruppe), Juliane (Lucky Loser) und Louisa (Gruppensiegerin der 3er Gruppe). Den Abend letztendlich für sich entscheiden konnte Louisa. Glückwünsche gab es von der zweifachen U20 WN-Siegerin (2023 und 2024) Paula über Videobotschaft vor dem Ritterschlag in Form des Lätzchenanlegens. „Auf dass du dich beim Schreiben nicht mehr anpatzt“, heißt es von der ehemals amtierenden Siegerin. Das Lätzchen ist der Wanderpokal, auf den sich Jahr für Jahr die_der Landesmeister_in mit golden glänzendem Garn einzusticken hat. Einen Pokal zum Behalten gab es natürlich auch – einen Polster genäht von Elena Sarto, die unter anderem 2020 den U20 WN-Slam gewann, amtierende WN-Meisterin ist und am Valentinstag im Dschungel für die Wettbewerbsleitung zuständig war. Vielen Dank an alle Mitwirkenden auf, vor und hinter der Bühne und herzliche Gratulation an Louisa! 

Die Stars des Abends

Nun zu den Beitragsbeschreibungen, die aus dem Gedächtnis zitiert und paraphrasiert sind. Wer empfindet, dass man Slam-Poetry nicht in Zusammenfassungen liest und sich ärgert, kein Ticket mehr erhascht zu haben, keine Sorge – die Beiträge wurden gefilmt und sind für YouTube vorgesehen.

Auch wenn der Videobeweis erst nachgereicht wird, hier der Fotobeweis, dass Jeremias mitfilmte

Erste Runde

Zuerst war ein Beitrag außer Konkurrenz zu hören, sogenanntes Feature, das das Publikum aufwärmen und bereit für die Meisterschaft machen sollte. Das Feature kam von BraVe, die auf den Tag genau vor genau 8 Jahren im Dschungel ihren ersten Slam-Auftritt verzeichnete und mittlerweile zum Team des U20 Slam Wiens zählt. In ihrem Text reflektierte sie über ihre bisherige Slam-Zeit und beantwortet die Gretchenfrage des Slams; wie BraVe selbst zu Poetry Slam gekommen ist. Nach dem Feature war es Zeit für den regulären Wettbewerb. 

Helena (Pride Poetry Slam) teilt eine traumatische Erfahrung und regt zur Selbstbestimmung und Selbstbestimmtheit an:
Ein Spiegel reflektiert den Körper des Mädchens, wodurch das Bedürfnis hervorgerufen wird, ein Bad zu nehmen. Ein Bad bedeutet für sie Hautbrennen am Körper. Zusätzlich liegt ein Rasierer bei, der einem zeigt, was alles weg muss. Wenn Blut fließt, denkt das lyrische Ich an seine Blutzellen: „Wie oft muss ich mich häuten, bis du verschwunden bist? Ich habe des selbst im Griff“, erinnert es sich. Der Ursprung seines Problems war der Cousin. Doch es ist: „Mein Körper, meine Stimme. Ich schreie bis deine Stimme nicht mehr Gehör findet. Bis in meinen Augen wieder ein Funkeln zu sehen ist.“

Louisa (U20 Poetry Slam Wien) behandelt in ihrem Text Leistungsdruck über eine performative und repetitive Ebene:
Hic sedet Julia. Wie viele Fehler hast du begangen? Julia zählt ihre Fehler und kommt darauf – es ist ein Turm von Missgeschicken. Fehler 1, 2, 3 und 4 – die mathematische Gleichung falsch kalkuliert, weswegen Julia ausgelacht wurde. Dabei ist es ein Fehler in ihrer Verhaltensweise mit der kleinen Stimme in ihrem Kopf, die sagt: „Du warst nicht genug“. Von einem leeren Blatt Papier zu einem leeren, tränennassen Blatt Papier. Mit zittrigen Händen. Aufgelöst. Während sie Zeit verliert, ihr Körper hyperventiliert. Hic-sedet-Julia wird von ihrer Mutter angeschrien wegen des nicht zufriedenstellenden Ergebnisses. In ihrem Kopf eine Crime Scene. Da ist immer noch diese kleine Stimme, die sagt: „Du bist nicht genug.“ Hic seduit Julia. Hier saß Julia.

Ellie (Stille Post – der Loftslam) thematisiert, was Freundschaft nicht bedeuten sollte:
Sie erzählt von Vorwürfen, manipulativen Verhaltensweise und Entfremdung als ständige Begleiter dieser „Freundschaft“. „Ich wusste es nicht. Als wir noch klein waren.“ Von vermeintlichen Seelenverwandten zu ehemals Bekannten zu Fremden.
– „Vor fünf Monaten hast du mir nicht zugehört.“
– „Weißt du, was du am 12. April gemacht hast?“
Dann kam der eine Satz: „Ich sag‘ das nicht mit viel Freude. Wir waren nie beste Freunde.“

Kai (slam’md) hat einen Text übers Geliebt Werden im Gepäck und das am Valentinstag, ausgeschmückt mit mehrsilbigen Endreimen und Okkasionalismen:
Das lyrische Ich hat Schmetterlinge im Bauch oder unromantischer Weise Flatterviecher im Bauch. Früher wollte es sich den Weg zum Fluchtweg freihalten. Statt reicher Textsicherheit gab es Verschwiegenheit, statt starkem Standpunkt nur Punkt, Punkt, Punkt. In Wahrheit ist es nämlich ein Schlappschwanz. Trotzdem verlangt es: „Nenn mich bitte heiß anstatt schön. Ich bin defekt und perfekt. Mach‘ mich selbst zum Lustobjekt. Meine Haut schuppt ab wie eine Wunde.“ Weiter führt es aus, dass Liebe die diskursive Praxis ist. Es habe keinen Valentin, sei anti-Liebe. Das lyrische Ich würde sich gerne verlieben, aber das geht nur aus Versehen. „Bitte schrei nicht so – ich betreibe Bindungstourismus“. Die größte Angst ist, das angesprochene Du zu verlieren. Für immer klingt seit der Begegnung mit dem Du nicht mehr so katastrophal. „Ich fühle mich so geliebt, ich habe vor dem Sterben Angst. Bin niemals am Handeln, ständig am Wimmern, ob ich drüber nachdenke? Ja, immer.“

Maxi Auer (Ein ganz normaler Poetry Slam) nähert sich dem Thema Müll mit Sprachspiel und Lyrik an und will mehr Aufmerksamkeit den Müllwerker_innen zusprechen:
Sein Text ist Müll, behauptet er zumindest. Manche müssen sich sogar in die U6 wagen, scherzt er. Es gibt eine Menge Leute von 100000enden unbekannten Gesichtern. So gibt es beispielsweise jemanden, der die Alten und Kinder betreut und Care-Arbeit leistet. Unsere Schnitzelgene schreien: „Das passiert nicht von allein!“ Man nennt sie die orangen Engel. Die Care Force 1. In welcher Stadt außer Wien spricht sonst ein Mistkübel „Yes, we clean. Gib mir den Rest.“ Vielleicht denkt sich jemand sogar: „Hier zieh i her“. Die U6 wurde doch erst gestern repariert. Maxis Applaus möchte er allen Wiener_innen schenken. Mülli Grazie!

Juliane (Wortwörtlich Wördern) berichtet in ihrem Text autobiographisch über ihre Erfahrungen mit Diskriminierung:
Sie wird oft gefragt, woher sie eigentlich herkommt. Aus NÖ. Juliane wird in Schubladen gesteckt. „Ich habe Glück, weil jemand sich um mich, den Flüchtling, kümmert.“ Sie nimmt es den meisten nicht übel, weil die meisten es nicht übel meinen. Juliane beschließt den Text mit folgendem Appell: „Ich sag dir, wie ich bin, wenn wir uns Zeit nehmen, auf eine Augenhöhe gehen, dann können wir am Ende doch alle gemeinsam zuhören.“

Anja Knafl (Donaudichten Tulln) spricht über den Druck innerhalb Leistungsgesellschaft und hat dabei einen schauspielerischen Zugang:
Sie schaut auf ihre Errungenschaften und fragt sich, wann sich das Blatt wendet. Was wäre wenn? Vielleicht wird es Zeit für einen Schritt zurück? Sie hatte immer drei Begleiter: Freud, Leid und ihre Zerrissenheit. Doch lasst uns feiern in ihrer Errungenschaft. Hört ihr diese Stille? Diesen Moment, die Melodie der Hoffnung? Die Schatten sind nicht mehr ihre ständigen Begleiter. Beim Tanz auf dem Drahtseil erkennt sie ihr wahres Gesicht und hört wieder ihre innere Stimme, die sie fragt: „Was machst du hier?“ Anja Knafl ist stolz auf das, was sie erbaut hat und schlussfolgert: „Wir sind doch alle voller Fehler. Wir suchen doch alle nur nach einem Platz voll Liebe.“

Zweite Runde – Finales Stechen

Maxi Auer warnt lyrisch vor der Abholung des Regenwaldes:
Den Text hat er vor dem Parlament vorgetragen. Dort sitzt sie. Die Königin. Ein Knall mit dem Entsetzen. Die Amazonas. Die Wurzeln des Wissens. Hier ist der ewige Baum der Weisheit. Der heilige Bockbaum. Eine eisige Stimmung herrscht im Wald. Der Schock sitzt tief in ihrem Gesicht. Waffe sei nicht gleich Waffe. Ihr Blick fest entschlossen. Die Waffen wurden entkernt. Fleißige Ameisen haben sie entfernt. Das ist das Ende dieser öligen Pest. Wenn wir unsere Wälder schützen, dann gibt es den Baum der Weisheit noch vielleicht in tausend Jahren.

Juliane widmet sich in ihrem Text der Dankbarkeit für ihre Großeltern:
Meine Oma und Opa fahren nicht im Hühnerstall Motorrad. Danke an die Großeltern, dass man zu dritt im Ehebett geschlafen hat. Juliane kann dank ihnen Janosch zitieren: „Mundert es dir kleiner Tiger?[…]“ Den Großeltern ist es gelungen, ihre 27+2 trimestrige Familie zusammenzuhalten. Sie haben ihr gelehrt, was man mit Arbeit, Sturheit und Glauben bewirken kann und das Alter nur eine Zahl sei. Trotzdem hätte sie zuletzt eine Bitte an ihren Opa: Schnall dich bitte immer an und nicht nur dann, wenn zufällig ein Polizeiauto vorbeifährt.

Louisa (Siegertext) performt über die Nachteile von Social Media, insbesondere Instagram, in Bezug auf die mentale Gesundheit:
Sie öffnet Instagram. Klick und Wisch. Mit 17 ist sie tot. Verharrt in einer Position für vier Stunden – nur für 10 Minuten hatte sie sich eigentlich gesagt. „Meine Geschichte wird schon lange nicht mehr von mir skizziert und von Social Media definiert. Lass mich fallen, werde kleiner, Instagram – mein ständiger Begleiter. Mit 17 bin ich tot.“ Die ganze Welt wirkt wie ein Skelett. Die Welt ist monoton. Anscheinend sind Katzenvideos die bessere Option. Mit 17 wirkt die Welt wie eine bessere Version von Social Media. Tauche ein mit Fake Politik. Mit einem Get Ready With Me, mit einem Get Fucked. Klick und Wisch und Klick Klick. Mit 5, mit 8, mit 13 wurde ich zur jungen Frau, mit 17 ist alles grau. „Ich geselle mich zu dunklen Stelle. Instagram, ich bin dein. Mit einem letzten Klick wisch‘ ich mich weg.“

Verfasst von: BraVe

Fotos von: Petra Weixelbraun

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