Love Slam Nachbericht vom 17.05.2024

U20 Poetry Slam
Juni 21, 2024

Am 17. Mai fand der Love Slam auf Bühne 1 um 19 Uhr unter der Moderation von Adina Wilcke statt. Vor dem Slam gab es wie immer eine schreib’ KLASSE!,  ebenfalls unter der Leitung von Adina Wilcke. Dies ist unser Schreibworkshop, wo man allgemein Schreibübungen erhält, aber auch den letzten Schliff für den Auftritt. Dieses Mal war es kein regulärer U20 Slam, sondern ein Poetry Slam, der für alle Altersklassen offen war. Dafür war es ein Themenslam in Kooperation mit WIENXTRA und der Aids Hilfe Wien; daher sollten alle Texte im Zusammenhang zum Themenbereich Liebe stehen. 

Die Moderatorin Adina Wilcke holte als Vorband in einer Person BraVe auf die Bühne, die den Abend rund um Liebe mit ihrem Text Meerjungfrau eröffnete. In diesem beschreibt sie ihre längste parasoziale Beziehung, die wir alle einmal durchmachen – die zu ihren Kuscheltieren. Dabei reflektiert sie nostalgisch über ihren früher betriebenen Eskapismus und regt vielleicht ein bisschen zum Träumen an. Nachdem die Jury, bestehend aus Freiwilligen aus dem Publikum, ihre Probewertung für BraVe gab, begann der offizielle Teil des Abends, in dem alle Teilnehmenden nacheinander in ausgeloster Reihenfolge ihre Liebes-Texte zum Besten gaben:

Vorrunde:

Leon Moses: Hat wen kennengelernt und im nächsten Schritt lieben gelernt. Doch alles ist nicht so einfach. Es kommt zu einigen Belastungsproben in Form von Vorwürfen. Er will durchhalten. 

Lennart Heins: Prokrastination ist laut Lennart mit Masturbation kombinierbar. Innerhalb des Prokrastinierens findet er sich in einer monogamen Beziehung wieder. Wenn er so weiter macht, dann landet er verheiratet mit Kindern. Außerdem klingt Prokrastination wie ein schwedisches Wort. Er kriegt das Kompliment, im Dunkeln gut auszusehen – pure Romantik. Er zieht den Schluss, dass Liebesleben allgemein pure Prokrastination bedeutet. Was man alles erledigen könnte, während man Sex hat… 

Annika: Hält ein zynisches Gedicht, eines gegen A-Löcher, die das Christentum als Ausrede verwenden, um A-Loch zu sein. Wahre Liebe kann nicht existieren in einer Hook-Up-Culture. Der Tag, an dem Tinder erfunden wurde, ist der Tag, an dem die Romantik gestorben ist. Es wird Levitikus 20:13 zitiert. Wie kann Annika an Liebe glauben, wenn Liebe bei ihr eine Straftat ist?  Wie kann jemand sie lieben, wenn sie sich noch nicht mal selbst liebt?

WeiWei: Sie wurde mit Liebe gemacht. Im Land ihrer Träume, in einer anderen Welt, muss es doch was gegeben haben, was man Liebe nennt, zwischen ihren Eltern. Doch ist davon nichts mehr zu merken bei all den Rosenkriegen. Seit sie denken kann, sind sie geschieden. Sie sind auch einfach zu verschieden: Ihre Mutter – eine ambitionierte Frau, ihr Vater – ein hoffnungsloser Romantiker.  WeiWei wurde zum Lieben gemacht. Irgendwann, irgendwo, irgendwie, würde er sie nie verlassen. Sie wollte doch nur die Liebe von einem Mann. Zwischen ihr und ihm schauten sie sich stundenlang an, das muss Liebe gewesen sein, denn solche Texte schreibt man nicht einfach so. Es ist lange her, dass sie sich selbst Liebe gab, doch jetzt will sie glücklich alleine sein, irgendwo, mit irgendwem, irgendwann. 

Benita: Ihre Eltern renovierten vor 10 Jahren die Küche und haben nun einen Induktionsherd, mit dem es zu keinem Anbrennen mehr kommen soll. Der Induktionsherd ist entweder an oder aus, also schwarz oder weiß. Sie kam darauf, dass sie ein Induktionsherz hat. Dieses kann sich normal erwärmen, wenn sie Tacos macht, wenn sie auf der gelben Couch mit Freunden sitzt, wenn er seine Hand nimmt, bis er aus dem Zug steigt. Doch Herz und Seele können wieder abkühlen, wenn das Herz zu lange nicht mehr angeschaltet wurde. Irgendwer muss das Herz wieder zum An-Modus bringen. Eigentlich hätte Benita gerne ein normales Herz, das warm gestellt und wohlig weich bleibt, ohne schwarz oder weiß.

Is A Bell: Performt ihren Text im Gegensatz zu den anderen Teilnehmenden in unterschiedlichen Sitzpositionen, unter anderem in der Grätsche. Es heißt: Die Liebe ihres Lebens wird sie eines Tages finden und das Schicksal wird sie nicht trennen. Es ist der rosige Traum jedes Menschen, seine zweite Hälfte zu finden. Doch der innere Druck, der solche Aussagen mit sich bringt, hat alles andere überholt. Äußerlich will jede Person  individuell sein, aber eigentlich hegen alle den gleichen Wunsch nach Liebe. Sie will die tief liegenden Dornen aufgeben und dieses alte Bild hinterfragen, das sie eigentlich noch nie so richtig mochte. Wie schön wäre es, wenn alle mit Ecken und Kanten leben dürften? Also beginnt sie mit Pinsel und Staffelei ein neues Bild zu malen. Die Performanz wird mit einer Drehung zum Mikro beendet. 

Kathi Eva: „Tinder vor Auslandssemester“ beziehungsweise „Wenn Lilien blühen“ heißt ihr Text. Sie hat vergessen, wie es sich anfühlt, wenn sie berührt wird. Sie glaubt, sie hat es sogar verlernt. In weniger als drei Monaten zieht sie für fünf Monate fort, wo sie dann acht Stunden mit der Bahn entfernt lebt. In fünf Monaten kann viel passieren, in drei können sich Seelen verbinden. Wenn sie sie anschaut, schaut sie in sie hinein. Diese Verbindung mit ihr ist voller schöner Kontraste: Neu und doch so vertraut, aufregend und doch so geerdet. Sie hängt in der Luft, und sie gibt ihr einen Boden. Physikalisch begründet wird dieser Kontrast, der sich Liebe nennt, mit den Lippen im freien Fall und dem Hautanziehungskontakt. Sie weiß, fünf Monate sind eine kurze Zeit verglichen mit der Ewigkeit. 

Triggerwarnung: In den folgenden zwei Zusammenfassungen geht es um sexualisierte Gewalt. Dies kann bei Personen negative Reaktionen auslösen. Bitte bedenke dies, bevor du weiterliest. Ab dem Text von Lisa Leitner geht es ohne sensible Inhalte weiter. 

Leonie: Liebe ist nicht gleich Liebe. Liebe ist ein Wort, bei dem bei einigen Menschen die richtige Bedeutung fehlt, wenn aus Leidenschaft Grausamkeit wird. Schuld ist immer etwas Anderes. So oft kann sie nicht anders, als innerlich zu weinen beginnen, als Nägel in die Hand zu rammen. Ihr Herz zerreißt und wird schwer. Consent ist so wichtig, aber Mann zeigt keine Akzeptanz für ein Nein. Ihr tut es leid, für alle, die ihr Leid teilen. Sie wird für alle Opfer von sexueller Gewalt laut sein. Lasst uns gemeinsam unsere Stimme dagegen erheben, denn am Ende siegt die Gerechtigkeit.

Triggerwarnung: sexualisierte Gewalt

Hanna: Wenn sie einen „Match on the screen“ hat und die Frage bekommt „Heut unterwegs?“, denkt sie sich „Ja, safe, I’m in“. Sie einigen sich auf eine Bar, um erst einmal den Vibe auszuchecken. Nach Mäcci und Späti landen sie in seiner Wohnung. Sie muss zugeben, dass er gut schmusen kann. Trotzdem hat er nie nach Consent gefragt. Er verzichtet nicht einvernehmlich aufs Kondom und es verschlägt ihr die Sprache. Sie hätte es niemals für möglich gehalten, sie wäre selbst doch reflektiert?! Hanna schlussfolgert: Wir sind viele, und haben das Recht auf konsensuelle Liebesspiele.

Lisa Leitner: Erzählt von einseitiger Liebe und zitiert aus dem Lied Oft Gefragt von AnnenMayKantereit: Du hast mich oft gefragt, was mich zerreißt. Ich wollte nicht, dass du es weißt… Sie stellt fest, dass das Sprichwort „Lügen haben kurze Beine“ stimmt. Wenn sie in den Spiegel sieht, sieht sie ihre Narben und ertrinkt in sich selbst. Sie ist nämlich eine Meisterin des Zerdenkens, denn all ihre Gedanken drehen sich im Kreis. Dabei bereitet das  Kapitel der Liebe die größten Sorgen. Wie viel Dunkelheit kann man ertragen? Sie findet sich in Sackgassen, in denen sie in der Ecke alleine so viel weint, dass sie ganze Ozeane mit ihren Tränen füllen könnte.  Mit den Augen voll Trübsal, spielte, retrospektiv gesehen, die Zeit nicht in die Karten. Sie konnte ihn nicht lieben, wie sie es wollte. Sie haben nicht das gleiche empfunden. Lisa schloss ihren Text mit folgenden Worten ab: Ich wollte, dass du weißt, was mich innerlich zerreißt. 

Nach den geballten Liebesversen, wurde eine zehnminütige Pause eingeläutet. Die vier höchst bewerteten kamen in das – 

Finale:

Lisa Leitner: Fragt sich, ob du das Gleiche spürst. Wie konntest du gehen? „Kannst du verstehen, wie ich mich fühle? Hörst du denn nicht, wie ich dich brauche?“ Alles, was letztendlich bleibt, ist ein Grabstein.

Hanna: Hat einen Text für ihre Mama vorbereitet: Du hast mich ausgetragen, herumgetragen und an der Hand genommen. Sie bittet ihre Mutter darum, auf sich selbst aufzupassen: Du hast mir beigebracht, zu reagieren, bevor es kracht. Ihr Elternteil schafft es, obwohl die Situation zum Weinen ist, trotzdem zu lachen. Es steckt so viel von dir in ihr drin. Hanna hält fest: Nicht wir, sondern du selbst bist der Hauptgewinn.

Leonie: Mit dem Text Leises Klavier: Meine Liebe zu dir springt wie ein leises Klavier, zwischen Moll und Dur. Sie hat Angst, dass es am Ende keinen Applaus gibt. Leonie ist ihre eigene Komponistin und alles kommt langsam in Einklang. Dennoch verstummt manchmal das leise Klavier und es kommt zu einer Pause, in der sie in sich geht und sich fragt: „Was fühle ich in mir?” Die Antwort ist eine Tempoerhöhung, durch die sie aufhört, sich zu stressen. Wenn sie halbe Noten spielt, machst du sie ganz. Wie Henning May sitzt sie barfuß am Klavier, der einzige Unterschied zu dem bekannten Musiker – sie sitzt immer da am Klavier. Die Frage, die es noch vor Textende zu beantworten gilt: Kannst du mir helfen, mein Lied zu Ende zu schreiben und bei mir bleiben?

Annika: Ist überrascht, im Finale zu sein. Ihr Text ist in vier Teile geteilt und jeder Teil enthält eine Definition von Liebe. Im ersten Teil liest sie eine offizielle Definition vor. Weiter sagt sie, dass Liebe ein bedeutungsschwangeres Wort ist, was sie für bullshit hält. Menschen rennen nur dem Geld hinterher, ohne Liebe zu erkennen, um die eigene Blase nicht verlassen zu müssen. In Teil 2 definiert sie Liebe neu, als ein beflügelndes Gefühl. Außerdem liebt sie ihre Familie und Freunde. Im dritten Teil bezeichnet sie Liebe als Füllwort, das in allen Formen und Farben existiert, da es sich bei Liebe um ein Spektrum handelt.  Diese freie Freude ist eigentlich nicht zu definieren. Sie definiert ihre Love Language mit der Physischen und dem Schenken. Aber: Love is love and love is okay. Im vierten und gleichzeitig letzten Teil zählt Annika auf, was sie alles liebt. Darunter: Reisen, den Geschmack von Erdbeeren, die Bauchschmerzen, die man bekommt, wenn man zu viel lacht… Sie beschließt ihren Text mit diesem Ausspruch: Sie lebt, um zu lieben, und sie hofft, dass sie sich eines Tages selbst liebt. 

Die Siegerin wurde über die Lautstärke des Applauses ermittelt und gewonnen hat… (Trommelwirbel)… Annika. Gratulation! Zudem hat jede teilnehmende Person ein kleines Package von WIENXTRA und der Aids Hilfe Wien erhalten. 

Dies war außerdem der vorerst letzte U20 Slam Wien unseres Teammitglieds Simon Tomaz, der jahrelang unsere U20 Slams mitgestaltet, organisiert und moderiert hat. Vielen Dank für all deine Arbeit und alles Gute für deinen weiteren Weg! Würde es einen Preis für die bestgekleidete Slam-Person durch ein Stirnband geben, wäre er dir auf alle Fälle sicher. 

Verfasst von: BraVe

Foto von: Adina Wilcke

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